Rückblick auf die Frühjahrs-SessionSehr geehrte Damen und Herren, Schwerpunkte der dreiwöchigen Frühjahrssession waren: die Bundesratswahl, die Individualbesteuerung, der Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Geschäftsführung der Bundesbehörden im Kontext der CS-Krise sowie die ausserordentliche Session zu Asyl- und Migrationsfragen. Aber auch verschiedene andere wichtige und weniger wichtige Themen beschäftigten den Ständerat, der insgesamt 12 ausgefüllte Halbtage lang debattierte und zahllose Entscheidungen traf. Über einige Themen werde ich in diesem Rückblick berichten. Auch über meine Motion «Limitierung der Vergütungen im Bankenwesen», die überraschend angenommen worden ist, was unterschiedliche Reaktionen auslöste. |
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(Bild: Parlamentsdienste / Tim Loosli )
Bundesratswahl: am Schluss nach üblichen Mustern
Die Bundesratswahl verlief am Schluss nach den üblichen Mustern. Lange sah es so aus, dass das Parlament die Eignung für die Führung des schlingernden Verteidigungsdepartements in den Vordergrund stellen würde. Vereinfacht gesagt also vor allem eine Wahl an die Spitze eines Departements sei. Im Verlaufe der Anhörungen und Diskussionen wechselte der Fokus klar auf die Wahl als Mitglied des Bundesrats und die damit verbundenen politischen Überlegungen. Diese Chance packte der Zuger Regierungsrat Martin Pfister mit seiner klugen und intensiven Dauerpräsenz in Bern bis zum Wahltag. Ich mag ihm die Wahl gönnen; ich kenne ihn als verlässlichen guten Kollegen aus meiner Zeit als Finanz- und Gesundheitsdirektor des Kantons Thurgau. Kein Geheimnis ist jedoch, dass ich in der aktuellen Situation Markus Ritter mit seiner durchsetzungskräftigen Persönlichkeit und seiner reichen Erfahrung in Bern als Chef des Verteidigungsdepartements bevorzugt hätte. Die politische Gesamtbeurteilung des Parlaments sprach am Schluss gegen ihn. Aber nun ist der Wahlkampf vorbei, der Blick geht nach vorn: Martin Pfister ist neuer Bundesrat und Chef des Verteidigungsdepartements. Ihm wünsche ich jetzt viel Kraft und Erfolg und sichere ihm meine volle Unterstützung und gute Zusammenarbeit zu, für eine starke Armee und eine wehrtüchtige Schweiz!
(Bild: iStock)
Individualbesteuerung: Ständerat im Griff der Parteien
Die Individualbesteuerung wird uns leider noch länger beschäftigen. Ein indirekter Gegenvorschlag des Bunderats zu einer Volksinitiative der FDP wurde mit 23:21 Stimmen angenommen. Der Entscheid entspricht nicht dem sachpolitischen Anspruch des Ständerats, gingen die Fronten doch hundertprozentig entlang der politischen Parteien: Mitglieder von FDP, SP, GP und GP dafür, Mitglieder von FDP und SVP dagegen. Eigentlich überrascht vor allem die Haltung der FDP-Mitglieder. Sie stellen den gesellschafts- und gleichstellungspolitischen Aspekt der Individualbesteuerung über alles, indem jede Person eine Steuererklärung ausfüllen muss, und es keine Ehepaar-Besteuerung mehr geben soll. Damit soll die sogenannte Heiratsstrafe (höhere Besteuerung von Paaren wegen der höheren Progression) wegfallen und so ein Anreiz für eine höhere Beschäftigungsquote von verheirateten Personen geschaffen werden.
Was sachlich gegen die Individualbesteuerung spricht:
- Die Kantone haben das Problem «Heiratsstrafe» gelöst und somit keinen Handlungsbedarf. Der Thurgau hat seit langem das sogenannte Vollsplitting für Ehepaare eingeführt, wodurch der Steuerfaktor tiefer ausfällt. Damit haben Ehepaare für die Steuern auf Kantons- und Gemeindeebene keine Nachteile mehr. Nur bei der direkten Bundessteuer gibt es bis heute die «Heiratsstrafe»!
- Die ganze grosse Arbeit aber für und durch die Umstellung auf die Individualbesteuerung liegt bei den Kantonen (und Gemeinden), weil sie den gesamten Steuerbezug organisieren, also auch für den Bund. Dies wird allein im Kanton Thurgau zu rund 66’000 zusätzlichen Steuererklärungen führen und zu 20 bis 30 neuen Stellen in der Steuerverwaltung (Veranlagungsexperten).
- Auch der Ertrag des Steuerbezugs bleibt zum grossen Teil in den Kantonen und Gemeinden. Nur rund ein Sechstel (direkte Bundessteuer) muss an den Bund überwiesen werden.
1977 hatte das Schweizer Volk dem neuen Verfassungs-Artikel zur «Steuerharmonisierung» (heutiger Art. 129) zugestimmt. Darauf basierend wurde das heutige Steuerharmonisierungs-Gesetz erarbeitet, dessen Eintretensdebatte im Ständerat am 17. März 1986 stattfand. Im Eintreten äusserte sich Kommissionspräsident Ständerat Julius Binder auch zu den Hauptfragen der Steuerharmonisierung und hielt unter Ziffer 4 Familienbesteuerung fest: «Wie der Bundesrat sprach sich die Kommission ausdrücklich für die Familienbesteuerung aus und lehnte die getrennte Besteuerung der Ehegatten ab. Die Ehe ist nicht nur eine rechtliche, sie ist auch eine wirtschaftliche Einheit.»
Rund 40 Jahre später scheint der Wind gedreht zu haben. Definitiv entschieden ist jedoch noch nichts. Das Volk wird in dieser Frage mit grosser Wahrscheinlichkeit das letzte Wort haben.
(Bild: PUK-Präsidentin Isabelle Chassot)
Aufarbeitung des CS-Niedergangs – Begrenzung der Vergütungen?
Zwei Jahre nach der grossen Vertrauenskrise der CS, die in deren Übernahme durch die UBS endete, fand im Parlament eine grosse Debatte zum Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) statt. Dabei wurden vier Motionen und 6 Postulate überwiesen, welche die PUK beantragt hatte. Gleichzeitig wurde über die Motion «Limitierung der Vergütungen im Bankenwesen» abgestimmt. Ich hatte sie vor zwei Jahren nach den unglaublichen Vorgängen bei der CS eingereicht und gefordert, dass die jährlichen Bezüge der Bankenchefs nicht mehr als 5 Millionen Franken betragen dürften. Das sind meiner Meinung nach immer noch sehr hohe Löhne, vor allem in Branchen, die aufgrund ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung vom Staat im Krisenfall gerettet werden. Was sagt ein Bürger, eine Bürgerin dazu, die nur einen Bruchteil von dieser Summe verdient, aber im Krisenfall die Arbeit verliert? Was sagt ein Unternehmer, eine Unternehmerin dazu, deren Firma bei einer langen Krise einfach Konkurs geht? Wie soll ich als Politiker den Leuten glaubhaft erklären, wie wichtig Eigenverantwortung und freiwillige Solidarität sind, wenn ich exorbitante Jahresvergütungen bei gleichzeitig staatlich gewährter Sicherheit einfach akzeptiere? Ich habe deshalb an meiner Motion festgehalten, obwohl ich von verschiedener Seite für deren Rückzug motiviert worden war und die zuständige Kommission für Wirtschaft und Abgaben sie einstimmig zur Ablehnung empfohlen hatte. Und obwohl auch ich weiss, dass deren Umsetzung verschiedene schwierige Fragen aufwerfen wird, wie beispielsweise, ob dadurch der Wegzug von systemrelevanten Banken aus der Schweiz provoziert wird. Mir war es wichtig, dass das Thema der Limitierung von Vergütungen, kurz eines «Lohndeckels», im Verlauf der nun einsetzenden Gesetzgebungsarbeiten (Too big to fail, Public Liquidity Backstop) nicht einfach vom Tisch ist. Unser Land braucht eine mutige Diskussion über die Höhe von Löhnen, die noch mit einer Arbeitsleistung gerechtfertigt werden können. Für die Akzeptanz unserer liberalen Wirtschaftsordnung und die Stärkung von Eigenverantwortung und Gemeinsinn ist dies von grösster Bedeutung. Dass eine überraschende Mehrheit im Ständerat (23 Ja, 21 Nein) dies gleich beurteilt, hat mich sehr gefreut. Die Beratungen über die Motion werden nun im Nationalrat (WAK, Plenum) fortgesetzt. Ich bin überzeugt, dass sie einen guten Einfluss hat auf den weiteren Verlauf der Revision und Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen über die systemrelevanten Banken und damit auch zur langfristigen Sicherung des Bankenplatzes Schweiz beitragen.
(Bild: Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Zürich, Terence du Fresne)
15 Vorstösse im Asylbereich
Die SVP hatte im National- und Ständerat eine ausserordentliche Session unter dem Titel «Asyl und Souveränität» verlangt. Dabei kam es zu einer engagierten und guten Debatte über 13 Motionen und 2 Postulate, die meisten von der SVP, 3 von der Mitte. Sehr viel Zuspruch und mehrheitliche Zustimmung erhielten Vorstösse, die den Schutz der Bevölkerung vor kriminellen Asylbewerbern verbessern möchten und diese auch schärfer bestrafen möchten inklusive Verlust des Bleiberechts. Sie wurden alle überwiesen. Beim verbesserten Schutz der Landesgrenzen war die Zurückhaltung aufgrund des befürchteten Aufwands höher. Die von mir eingereichte Motion «Von Dänemark und Schweden lernen. Familiennachzug auf die Interessen der Schweiz ausrichten» wurde leider knapp verworfen. Hingegen wurde das Postulat von Kollegin Heidi Zgraggen (Mitte /UR) angenommen, die eine Analyse der Asylverfahren in ausgewählten europäischen Ländern verlangt, insbesondere auch der nordischen Staaten. Insgesamt zeigt sich, dass die Verschärfung der Asylpolitik in Richtung klarer Akzeptanz und Durchsetzung der geltenden Regeln, Mitberücksichtigung der Interessen der einheimischen Bevölkerung und Nulltoleranz für Kriminalität an sachpolitischer Akzeptanz gewonnen hat, was sehr begrüssenswert ist. Ich bin überzeugt, dass dies der richtige Weg ist, um auch in Zukunft und langfristig eine echte und glaubwürdige Schweizer Flüchtlingspolitik betreiben zu können.
(Bild: UNRWA, Ashraf Amra)
Reform der Flüchtlingshilfe für Palästinenser
Nicht zum ersten Mal diskutierte der Ständerat eine Motion von Nationalrats-Kollege David Zuberbühler (SVP/AR), welche die sofortige Einstellung der Beiträge an das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) verlangte. Der Nationalrat hatte der Motion zugestimmt, der Ständerat lehnte sie mehrheitlich ab. Dafür stimmte er einstimmig einer Motion seiner Aussenpolitischen Kommission zu mit dem Titel «Für eine Reform der Flüchtlingshilfe für Palästinenser». Denn der Ständerat ist sich einig, dass die Hilfe im Gaza-Streifen auf eine neue Grundlage gestellt werden muss, weil die UNRWA aufgrund ihrer engen Verbindung zur HAMAS untragbar geworden ist. Einig ist sich der Ständerat auch in der grossen Sorge über die schlimme humanitäre Situation im weitgehend zerstörten Gaza-Streifen. Der Bundesrat bzw. das EDA ist nun gefordert, zu einer Reorganisation der humanitären Hilfe im Gaza-Streifen beizutragen, die das Vertrauen stärkt und zu einer baldigen Ablösung der UNRWA führt. Das Wichtigste wäre natürlich ein Ende der Kämpfe, was leider nicht abzusehen ist. So sind wir in Gaza mit einer schier hoffnungslosen Lage konfrontiert, welche die Gewalt immer wieder neu anheizt statt beendet. Wer schafft es, für Gaza und die Palästinenser/-innen eine Zukunftsvision umzusetzen und gleichzeitig auch den Konflikt mit Israel beizulegen? Die UNO, Trump, die Beteiligten selbst am Verhandlungstisch oder die benachbarten arabischen Länder? Ich weiss es nicht, doch die Hoffnung dürfen wir – schon aus Prinzip – nicht aufgeben!
(Bild: pixabay/ Jerzy Górecki)
Zecken- und Flohmittel schuld am Rückgang des Fischbestandes?
Zu diesem Thema kam ich durch einen befreundeten Tierarzt, der nach England ausgewandert ist und als Flusseigentümer festgestellt hat, wie stark die Fischbestände zurückgegangen sind. Dazu gibt es in England wissenschaftliche Untersuchungen, die zu hohe Rückstände von Tierarzneimitteln in Bächen, Flüssen und Seen nachweisen. Die Folge davon ist ein Rückgang von Insekten und Larven, die im und am Wasser leben. Weil diese wiederum eine wichtige Nahrungsgrundlage von Fischen und Vögeln sind, geht auch deren Anzahl zurück. Eine ganze Anzahl einheimischer Fischarten sowie diverse insektenfressende Vogelarten sind deshalb gefährdet oder bereits ausgestorben.
Hellhörig wurde ich – und deshalb reichte ich eine Interpellation ein – dass heute für die Prophylaxe gegen Zecken und Flöhe bei Haustieren wie Hunde und Katzen hochtoxische Insektizide verwendet werden, die in der Landwirtschaft vor einigen Jahren verboten worden sind. Es geht um Fipronil und Imidacloprid, die direkt beim Baden und Spielen von Hunden in die Gewässer gelangen oder indirekt über Abwässer aus Hundesalons und so weiter. Dabei gäbe es heute bewährte und nicht giftige Alternativen für die Zeckenprophylaxe.
In seiner Antwort bestätigte der Bundesrat leider auch für die Schweiz eine hohe Gewässerbelastung mit Fipronil und Imidacloprid. Deshalb ist es wichtig, dass bald konsequent auf vorhandene Alternativen umgestellt werden muss. In diesem Sinne habe ich den Bundesrat aufgefordert, Art. 81 der Verordnung über die Arzneimittel anzupassen, damit Wirkstoffe periodisch überprüft werden müssen.
Schnell gehandelt werden kann bei der Abgabe solcher Tierarzneimittel. Dazu braucht es klar höhere Voraussetzungen, was mit einer Verschreibungspflicht erreicht werden könnte. Diesbezüglich ist der Bundesrat bzw. Swissmedic bereits an der Arbeit. Das ist das Minimum, was getan werden muss, solange Fipronil und Imidacloprid in Tierarzneimitteln überhaupt noch zugelassen sind.