Als Paul Rutishauser am 7. Juli 1933 geboren wurde, deutete kaum etwas auf seine spätere politische Laufbahn hin. Auf einem Kleinbauernbetrieb in Gutbertshausen verbrachte er zusammen mit seiner älteren Schwester eine arbeitsame, aber glückliche Jugendzeit. Mit einem ausgeprägten manuellen Geschick versehen, wollte er ein Handwerk erlernen, doch mit Rücksicht auf seine Eltern wurde er Bauer, was er aber nie bereute, im Gegenteil.

Bald wandte sich Paul Rutishauser dem Obst- und Pflanzenbau zu. Er absolvierte den Baumwärterkurs, und es war wohl mehr als ein Zufall, dass er an der Abschlussfeier Margrit Lauchenauer aus Neukirch an der Thur kennen lernte. 1959 heiratete das Paar, und sein «Gritli» wurde zu seiner wichtigen Lebenspartnerin, die ihm mit ihrer Arbeit auf dem Bauernhof den Rücken freihielt, mit der er aber auch oft politische Themen diskutierte, was beispielsweise in Frauenfragen durchaus auf ihn abfärbte.

Der kleine Landwirtschaftsbetrieb indes war zu klein, um die Eltern und das junge Paar zu ernähren, sodass Paul Rutishauser 1959 bei der Dielsdorfer Chemiefirma Dr. R. Maag Pflanzenschutzberater für den Kanton Thurgau wurde. Erst 1971 gab er diese Stelle auf, nachdem er den Bauernhof 1965 übernommen, die Viehwirtschaft aufgegeben und auf Intensivkulturen im Obst- und Rebbau umgestellt hatte. Der Rebbau nahm später einen immer grösseren Umfang ein; der «Hohenfelser» war von bester Qualität und der Stolz des Ehepaars Rutishauser.

Früh engagierte sich Paul Rutishauser in seiner Ortsgemeinde Götighofen, wo er 1965 im Alter von 32 Jahren zum Ortsvorsteher mit Einsitz im Gemeinderat von Sulgen gewählt wurde. Bis 1979, dem Jahr seiner Wahl in den Nationalrat, übte er dieses Amt mit Freude erfolgreich aus. Seine Tatkraft und sein Verstand, seine Geradlinigkeit und Klarheit waren der Branche und der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. So nahm Paul Rutishauser 1970 im Vorstand des Thurgauischen Landwirtschaftlichen Kantonalverbands (heute Verband Thurgauer Landwirtschaft) Einsitz. Von 1977 bis 1993 war er dessen Präsident, nachher Ehrenpräsident auf Lebzeiten. In seine Amtszeit fiel die Trennung der fachlichen und politischen Arbeit des Verbands, indem 1984/85 die Landwirtschaftliche Politische Kommission aufgelöst und die Schweizerische Volkspartei des Kantons Thurgau gegründet wurde.

Von 1972 bis 1984 war Paul Rutishauser Kantonsrat. Der Pflanzenschutzfonds zur Bekämpfung von Engerlingsschäden zeugt heute noch von seinem Wirken. 1979 wählte ihn das Thurgauer Volk in den Nationalrat, dem er bis 1995 angehörte. Als überzeugter Vertreter eines eigenständigen, gesellschaftlich gut verankerten Bauernstands kämpfte er mit offenem Visier und fand immer klare und verständliche Worte, was ihm über die Parteigrenzen hinaus Achtung und Respekt verschaffte. Dazu zeichnete ihn ein schalkhafter Humor aus, womit er vieles heiter verpackt auf den Punkt zu bringen wusste.

Paul Rutishauser war ein Landwirtschaftspolitiker, der die neuen Herausforderungen aufgrund des WTO-Abkommens und der ökologischen Fragen früh erkannte und mithalf, massvolle und tragfähige Lösungen für die Zukunft des Bauernstands zu finden. Auf eidgenössischer Ebene war Paul Rutishauser zudem im Vorstand des Schweizer Obstverbands (1972–1993) sowie in Vorstand und Ausschuss des Schweizer Bauernverbands (1975–1996) aktiv. Später übernahm er das Präsidium des Schweizerischen Landwirtschaftlichen Vereins (1985–1996) und wurde vom Bundesrat in den Bankrat der Schweizerischen Nationalbank gewählt. Die gleiche Funktion während der gleichen Zeitdauer (1983–2000) übte er auch bei der Thurgauer Kantonalbank aus. Dank seiner analytischen und betriebswirtschaftlichen Kompetenzen, seiner Erfahrung und seiner offenen, versöhnlichen Art genoss er grosses Vertrauen, weshalb er 1995 in den Bankausschuss und ein Jahr später zum Vizepräsidenten (1996–2000) gewählt wurde.

Paul Rutishauser verstand es aber auch, seine Ämter zum richtigen Zeitpunkt loszulassen. Politische Diskussionen fanden nun vorwiegend im Kreis der Thurgauer Seniorenwanderer statt, wo er kaum eine Wanderung verpasste. Sein Interesse an der weltweiten Landwirtschaft, aber auch an anderen Branchen und Kulturen führte ihn zudem auf zahlreiche grosse Reisen rund um den Globus, über die er begeistert und packend in Wort und Bild berichtete.

Seinen Betrieb übergab er 2013 an seinen ehemaligen Lehrling Christian Huber und zog mit seiner Frau Margrit nach Sulgen, wo er alte Freundschaften pflegte und bei den Seniorenturnern neue schliessen konnte. Er war nun gerne in seiner Werkstatt tätig und häufig auf seinem geliebten E-Bike unterwegs. Sein plötzlicher Hinschied am 7. Dezember nach kurzer Krankheit kam deshalb völlig unerwartet.

Paul Rutishauser hinterlässt eine schmerzliche Lücke. Wir haben einen Freund und Menschen verloren, dessen Format, Humor und weiter Horizont wie auch sein vorbildliches Wirken für den Bauernstand und die Öffentlichkeit in bester Erinnerung bleiben werden.

Jakob Stark