Liebe Leserinnen und Leser

Aus der Frühlingssession greife ich für Sie fünf Themen heraus: Es sind dies die Diskussion über das Kriegsmaterialgesetz und die Neutralität infolge des Ukrainekrieges. Es ist dies die humanitäre Hilfe für die Ukraine: Zusammen mit Vertretern aller Parteien habe ich einen Vorstoss mitunterzeichnet, die Ukraine in den nächsten fünf bis zehn Jahren mit fünf Milliarden Franken für humanitäre Hilfe, den Schutz der Zivilbevölkerung und den Wiederaufbau der Infrastruktur zu unterstützen.
Intensiv war die Debatte über die umstrittene Pensionskassenreform. Ich fasse diese in den wesentlichsten Punkten für Sie zusammen. Weiter hat der Bundesrat meine Interpellation zu Massnahmen für stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb beantwortet. Der Ständerat hat eine Motion mit dem gleichen Ziel zur Zukunft der Stahl- und Aluminiumhersteller und der Giessereien in der Schweiz gutgeheissen. Dabei geht es auch um die Zukunft des Industriestandortes Schweiz.
Leider hat es das Parlament die Chance verpasst, die Höheren Fachschulen und somit die Berufsbildung in der Schweiz aufzuwerten.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen eine gute Frühlingszeit.

Ihr Ständerat

Jakob Stark


Kriegsmaterialgesetz bald anpassen – Neutralitätsrecht beachten

Durch den Ukraine-Krieg ist ein grosses innenpolitisches Spannungsfeld zwischen Hilfe und Solidarität mit der Ukraine einerseits und der Wahrung der Neutralität andererseits entstanden. Das Dilemma ist insbesondere auf eine Anpassung des Kriegsmaterialgesetzes (KMG) zurückzuführen, die im Sommer 2021 unter dem Druck der Volksinitiative «Gegen Waffenexporte in Bürgerkriegsländer» («Korrektur-Initiative») vom eidgenössischen Parlament beschlossen worden ist. Dabei wurden die Kriterien für Waffenexporte neu auf Gesetzesebene verankert und dem Bundesrat das Recht verweigert, im Falle ausserordentlicher Umstände von den Bewilligungskriterien für Kriegsmaterialexporte abzuweichen. Die Streichung dieses vom Bundesrat und der Sicherheitspolitischen Kommission vorgeschlagenen Ausnahmeartikels kam im Ständerat aufgrund einer Links-Grün-Mitte-Allianz zustande. In der Folge wurde die «Korrektur-Initiative» zurückgezogen.

Aufgrund dieser rigiden Bestimmungen ist die Schweiz bezüglich Weitergabe von Schweizer Waffen in die Ukraine in eine sehr schwierige Lage geraten, die ihr im In- und Ausland Kritik wegen mangelnder Solidarität einbringt. Doch diese Kritik ist meiner Ansicht nach aus folgenden Gründen nicht gerechtfertigt:
Länder müssen sich bei der Beschaffung von Schweizer Kriegsmaterial mittels Nichtwiederausfuhr-Erklärung verpflichten, dieses nicht ohne vorgängige schriftliche Zustimmung der Schweiz weiterzugeben. Aufgrund des revidierten KMG ohne Ausnahmeregelung benötigt somit auch jede Waffenwiederausfuhr in die Ukraine eine Erlaubnis der Schweiz, welche diese aufgrund der im Gesetz festgelegten Kriterien nicht erteilen darf. Aber selbst wenn der Bundesrat die Kriterien missachten und eine Wiederausfuhrbewilligung erteilen würde, würde dies dem Neutralitätsrecht widersprechen. Denn dieses schreibt gemäss Haager Abkommen von 1907 vor, kriegsführende Parteien gleich zu behandeln, insbesondere auch beim Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial. Das hiesse, dass auch entsprechende Gesuche um die Waffen-Wiederausfuhr nach Russland bewilligt werden müssten, was ja wirklich undenkbar ist.

Um zukünftig nicht mehr in diese unangenehme und heikle Lage zu geraten, ist es meiner Meinung nach dringend nötig, das KMG so anzupassen, dass Kriegsmaterialexporte in Zukunft nicht mehr generell mit einer Nichtwiederausfuhr-Erklärung verbunden werden. So könnte auch die neutralitätsrechtliche Problematik grundsätzlich entschärft werden. Allerdings muss dafür das Kriegsende in der Ukraine abgewartet werden, weil die Gesetzesanpassung andernfalls in dessen Zusammenhang gesehen und entsprechend in Widerspruch zum Neutralitätsrecht geraten würde.


Vorstoss zur Unterstützung der Ukraine mitunterzeichnet

Um dem Vorwurf der mangelnden Solidarität der Schweiz mit der Ukraine entgegenzutreten, habe ich zusammen mit Vertretern aller Parteien einen Vorstoss unterzeichnet für eine Unterstützung der Ukraine in den nächsten fünf bis zehn Jahre mit fünf Milliarden Franken für humanitäre Hilfe, Schutz der Zivilbevölkerung und Wiederaufbau der Infrastruktur. Die Schweiz zeigt der Welt, dass sie auch ohne Waffenlieferungen sehr solidarisch und hilfsbereit ist gegenüber der Ukraine. Auch die grosse Zahl von ukrainischen Flüchtlingen im S-Status in der Schweiz spricht eine klare Sprache!
Ich hoffe sehr, dass die Ukraine dem russischen Aggressor weiterhin erfolgreich Widerstand leisten kann und vielleicht bald mit einer ukrainischen Offensive im Süden und Osten die Grundlage gelegt wird für einen Waffenstillstand, Verhandlungen und einen gerechten Frieden. Es gibt leider auch andere und womöglich realistischere Szenarien eines noch lange andauernden Krieges mit weiterhin hohen Opferzahlen und Verwüstungen. Wir müssen mit allem rechnen – aber lassen uns trotzdem die Hoffnung nicht nehmen! Für die Ukraine, auch für Russland, Europa und die ganze Welt!

Zur Motion

(Bild von Pexels)


Umstrittene Pensionskassenreform

Bis zum Schluss blieb die Reform des Beruflichen Vorsorge-Gesetzes (BVG) sehr umstritten. Immerhin überstand das revidierte Gesetz die Schlussabstimmung der beiden Räte, doch wird es eine Mehrheit geben an der Urne? Das Referendum wurde bereits seit langem von SP und Gewerkschaften angekündigt. Ihnen geht die Reform zu wenig weit, obwohl sie deutliche Fortschritte bringt für die kleinen Einkommen und die Teilzeitbeschäftigten. Der Koordinationsabzug wurde deutlich gesenkt. Bisher mussten Jahreslöhne bis 25’725 nicht versichert werden, neu sind immer 80% des Jahreslohnes zu versichern. Das Maximum der obligatorischen Versicherung bleibt bei 85’320 Franken. In den Branchen mit vielen Teilzeitbeschäftigten und eher tieferen Löhnen, namentlich im Gewerbe und in der Landwirtschaft, führt die deutliche Erhöhung der versicherten Lohnsumme zu einer starken Erhöhung der paritätisch zu leistenden Arbeitgeberbeiträge. Deshalb wurde hier starker Widerstand spürbar, dem das Parlament schliesslich im Einigungsverfahren mit einer nur moderaten Senkung der Eintrittsschwelle in die obligatorische Versicherung von 22’050 Fr. auf 19’845 Fr. Rechnung tragen wollte. Damit konnte ein Absturz des Geschäfts zwar verhindert werden, aber die tiefen JA-Mehrheiten in den Schlussabstimmungen im National- und Ständerat verbreiten für die Volksabstimmung wenig Zuversicht. Für die vielen Frauen, die Teilzeit arbeiten und dadurch tiefe Einkommen haben, bedeutet die Pensionskassenreform eine Verbesserung ihrer Situation. Ob sie deshalb an der Urne den Ausschlag geben werden? Persönlich habe ich Anträge gestellt und mich dafür eingesetzt, dass beim koordinierten Lohn und bei der Eintrittsschwelle die Mehrbelastung für Gewerbe und Landwirtschaft im Rahmen bleibt. Leider fruchteten die Bemühungen nur bei der Eintrittsschwelle. Deshalb habe ich mich bei der Schlussabstimmung der Stimme enthalten.

Mein Votum

Mein Votum zur Eintrittsschwelle


Schweiz soll Industriestandort bleiben

Im Zusammenhang mit den hohen Strompreisen hat der Bundesrat meine Interpellation «Massnahmen für stromintensive Unternehmen im internationalen Wettbewerb prüfen» beantwortet. Es geht um die Situation von Schweizer Industrien, die im Wettbewerb benachteiligt werden, weil in den EU-Ländern Massnahmen zur Abfederung und Begrenzung der hohen Strompreise ergriffen worden sind. Gleichzeitig behandelte der Ständerat die Motion von Roberto Zanetti (SP/SO) «Sichern des metallischen Materialkreislaufs in der Schweiz». Er sorgt sich aus dem gleichen Grunde wie ich um die Zukunft der Stahl- und Aluminiumhersteller und Giessereien in der Schweiz. Der Ständerat hat die Motion mit 35 gegen 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen, gegen den Willen des Bundesrats. Es ist wichtig, dass dem Bundesrat ein klares Signal gegeben wurde, staatliche Notmassnahmen und ordentliche Beihilfen für wichtige Industrien in den EU-Ländern genau zu beobachten und bei Bedarf temporäre Gegenmassnahmen zur Sicherung der Schweizer Industriebetriebe zu ergreifen. Der Rat ist sich mehrheitlich einig, dass die Schweiz weiterhin auf gute Rahmenbedingungen und eine hohe Wettbewerbsfähigkeit setzen und eine staatliche Industriepolitik ablehnen muss. Allerdings muss die Lage genau beobachtet werden und bei Bedarf auch eine Grundsatzdebatte über die Zukunft des Schweizer Industriestandorts geführt werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es auch in Zukunft einen bedeutenden Industriesektor in der Schweiz geben soll, als Basis für eine starke Volkswirtschaft und ein breit gefächertes Arbeitsplatzangebot, aber auch aus gesellschaftlichen Gründen sowie zur Gewährleistung einer gewissen wirtschaftlichen Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit.

Mein Votum

Meine Interpellation

(Foto von Anamul Rezwan, Pexels)


Aufwertung der Berufsbildung verpasst

Der Ständerat befasste sich mit der im Nationalrat angenommen Motion «Titeläquivalenz für die höhere Berufsbildung». Diese schlug vor, bei den Bezeichnungen für die Abschlüsse an den Höheren Fachschulen (HF) neu die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» einzuführen. Heute lauten die Titel etwa «dipl. Maschinenbautechniker HF» oder «dipl. Pflegefachfrau HF». Begehrt sind aber die Titel «Bachelor» und «Master», die an den Fachhochschulen, Universitäten und an der ETH vergeben werden. Seit Jahren dreht sich die Diskussion in den Fachgremien um die Aufwertung der Höheren Fachschulen, die als direkte praxisorientierte Aus- und Weiterbildung von Berufsleuten eine wichtige Rolle spielen. Leider kommen die Bemühungen kaum vom Fleck, weil es im Grunde genommen auch um eine Konkurrenzsituation zwischen den Fachhochschulen/Universitäten und den Höheren Fachschulen geht. Weil mittlerweile Deutschland und Österreich den Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» für qualifizierte Berufsleute eingeführt haben, haben nun die Schweizer Absolventeninnen und Absolventen der Höheren Fachschulen Nachteile bei der Stellensuche. Denn es ist leider so, dass die Titel «Bachelor» und «Master» eine grosse Wirkung haben. Ergänzt mit dem Wort «Professional», also Berufsmann oder Berufsfrau, stellen sie eine wichtige Aufwertung des Berufsbildungswegs dar. Dies beginnt bereits bei der Berufswahl, wenn junge Menschen wissen, dass sie auch auf dem Weg der Berufsbildung einen Bachelor und Master erwerben können. Gleichzeitig entspricht dies auch einem grossen Bedürfnis der Wirtschaft, qualifizierte Fachleute zu erhalten und den Forschungsteil der Fachhochschulen nicht ständig zu erweitern. Leider hat der Ständerat die Motion knapp abgelehnt, nachdem Bundesrat Guy Parmelin versprochen hatte, dass die Situation der Höheren Fachschulen bald verbessert werden wird. Darauf sind wir gespannt! Persönlich bin ich überzeugt, dass wohl kein Weg am «Professional Bachelor» und «Professional Master» vorbeiführen wird, um den Stellenwert der Berufsbildung zu bewahren und auszubauen. Man mag die englischen Ausdrücke bedauern. Sie sind jetzt hier und Tatsache. Eingeführt wurden sie mit dem Bologna-System vor über 20 Jahren.

Mein Votum

(Bild von Ksenia Chernaya, Pexels)